Influencer Kennzeichnungspflichten

Schafft ein neues Gesetz Rechtsklarheit im Influencer-Marketing?

Influencer leben davon, ein möglichst authentisches Bild der eigenen Person zu vermitteln und einen bestimmten Lifestyle an ihre Follower zu „verkaufen“. In der Regel präsentieren die Influencer dazu ihren vermeintlichen Alltag. Innerhalb der Beiträge werden dabei oft Markenprodukte, Restaurants, Hotels oder ähnliches erwähnt. Die Grenzen zwischen privaten Meinungsäußerungen und kommerzieller, werblicher Inhalte verschwimmen. Für das zumeist junge, teils minderjährige Publikum, ist nicht erkennbar, ob es sich um eine ehrliche Empfehlung des eigenen Idols, oder um bezahlte Produktplatzierungen, mithin Werbung, handelt. Sofern die Influencer eine Kooperation mit dem beworbenen Unternehmen haben, müssen Beiträge klar als Werbung gekennzeichnet werden. Es stellt sich jedoch immer wieder die Frage, wie Beiträge zu behandeln sind, für welche die Influencer keine direkte Gegenleistung erhalten und kein Werbedeal besteht. Die häufigste Frage, die wir von unseren Mandanten deshalb gestellt bekommen, lautet: Muss ich auch im Falle von selbstbezahlten Produkten meine Beiträge als Werbung kennzeichnen? Die Frage klingt einfach, die Antwort ist es jedoch nicht.

Das rechtliche Kernproblem der Kennzeichnungspflichten im Influencer-Marketing besteht seit Jahren und konnte auch von den Gerichten in Deutschland immer noch nicht vollständig gelöst werden.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grundlagen für das Influencer-Marketing bestimmen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Telemediengesetz (TMG) sowie der Medienstaatsvertrag (MStV). Insbesondere das TMG und UWG stammen jedoch aus einer Zeit, in der es noch kein Influencer-Marketing gab, sodass eine Auslegung der aktuell geltenden Normen stattzufinden hat. Die Auslegung erfolgt derzeit uneinheitlich durch die deutschen Gerichte. Bislang haben sich mehrere Oberlandesgerichte zu der Problematik mit der (Nicht)Kennzeichnung von Beiträgen als Werbung geäußert. Die Entscheidungen gehen jedoch teilweise konträr, sodass weiterhin Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Kennzeichnungspflichten besteht. Die Kernfrage, ab wann Influencer Inhalte ausdrücklich als Werbung kennzeichnen müssen und wann die Grenze zur getarnten Werbung („Schleichwerbung“) überschritten wird, lässt sich somit weiterhin nicht klar beantworten.

Gemäß §5a Abs. 6 UWG handelt derjenige unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Der Begriff „geschäftliche Handlung“ wird vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG legaldefiniert. Eine geschäftliche Handlung ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 5a Abs. 6 UWG wird keine Kooperation (vertragliche Beziehung) zwischen Influencer und Unternehmen vorausgesetzt. Daher ist grundsätzlich auch bei solchen Beiträgen, für welche keine Kooperation besteht, zu prüfen, ob das konkrete Posting eine „geschäftliche Handlung“ mit „kommerziellem Zweck“ darstellt. Sofern dies der Fall ist, wäre ein Posting als Werbung zu kennzeichnen, wenn sich der kommerzielle Zweck „nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt“ und das „Nichtkenntlichmachen dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“.

Für die Beantwortung der Frage, ob ein Beitrag als Werbung gekennzeichnet werden muss, muss demnach zwischen privaten Beiträgen und geschäftlichen Handlungen unterschieden werden. Diese Unterscheidung ist in der Praxis jedoch oft nur äußerst schwierig vorzunehmen. Insbesondere für – wie eingangs dargestellt – Beiträge, in welchen die Influencer selbstgekaufte Produkte vorstellen und die Unternehmen über sog. Tap-Tags verlinken. Handeln die Influencer rein privat, indem sie ihren Followern präferierte Produkte vorstellen, oder soll (auch) der eigene Marktwert sowie das eigene Image gesteigert werden und die Hersteller der Produkte bestenfalls durch die Verlinkungen auf mögliche Kooperationen aufmerksam gemacht werden (Stichwort Eigenwerbung)? Je nachdem welches Gericht man in Deutschland fragt, ergibt sich eine unterschiedliche Bewertung im Hinblick auf das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung in solchen Fällen.

 

Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht

Hoffnung legt die Branche aktuell in einen Gesetzesentwurf, welcher vom Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in die Wege geleitet wurde. Es handelt sich um den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht. In einer Pressemitteilung vom 20. Januar 2021 verspricht Bundesministerin Christine Lambrecht:

„Auch Influencer und Bloggerinnen bekommen endlich mehr Rechtssicherheit. Künftig ist klar: Nur wenn es eine Gegenleistung gibt, müssen sie ein Posting als Werbung kennzeichnen. Und auch Verbraucherinnen und Verbraucher wissen dann, woran sie sind: Sie können besser einschätzen, wie eine Empfehlung zustande gekommen ist – und ob sie ihr vertrauen wollen.“

Ziel der Gesetzesänderung soll mithin ein sicherer Rechtsrahmen für Handlungen von Influencern sein, wenn diese Waren und Dienstleistungen empfehlen, ohne selbst davon im Wege eines Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung zu profitieren.

Der Entwurf sieht dafür eine konkrete Änderung der §§ 2 Nr. 2 und 5a UWG vor. Die Definition einer „geschäftlichen Handlung“ soll in § 2 Nr. 2 UWG-E dahingehend ergänzt werden, dass diese nicht mehr nur in einem objektiven, sondern auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Absatzförderung stehen muss. Zudem soll mit § 5a Abs. 4 S. 2 UWG-E klargestellt werden, dass bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers ausdrücklich kein kommerzieller Zweck anzunehmen sei, wenn hierfür kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung versprochen wird. Beweispflichtig für das Fehlen eines Entgelts bzw. einer ähnlichen Gegenleistung wären nach dem aktuellen Regierungsentwurf – folgt man den Erwägungsgründen – die Influencer.

Sofern das Gesetz im Bundesrat und Bundestag Zustimmung erhält, soll es am 28. Mai 2022 in Kraft treten.

Das Gesetzesvorhaben ist jedoch nicht unumstritten. Insbesondere der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., die Landesmedienanstalten sowie der Deutsche Anwalts Verein sehen den Gesetzesentwurf kritisch. Das Kernproblem scheint auch der aktuelle Gesetzesentwurf nicht lösen zu können. Die Frage, wann eine „ähnliche Gegenleistung“ vorliegt und ein Post deshalb als Werbung gekennzeichnet werden muss, wird auch mit dem neuen Gesetz nicht ohne weiteres zu beantworten sein. Im Hinblick auf Fälle der sog. „Eigenwerbung“ dürften Influencer auch nach dem aktuellen Gesetzesentwurf nicht mehr Rechtssicherheit genießen als unter der aktuellen Gesetzeslage. In den Erwägungsgründen zu § 5a UWG-E heißt es konkret: „Die Frage, ob eine Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens vorliegt, hängt nicht allein von dem Erhalt eines Entgelts ab, da auch Eigenwerbung grundsätzlich kennzeichnungspflichtig ist, wenn sie anders nicht erkennbar ist. Bei unentgeltlich abgegebenen Empfehlungen von Influencerinnen und Influencern ist daher entsprechend der Ergänzung in §2 Absatz 1 Nummer 2 zu berücksichtigen, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zum Absatz von Produkten und Dienstleistungen vorliegt.“ Folglich wäre auch nach dem neuen Gesetz eine Bewertung im Einzelfall vorzunehmen, ob der konkrete Beitrag eine geschäftliche Handlung darstellt oder nicht.

Das Oberlandesgericht Köln geht in einer aktuellen Entscheidung vom 19.02.2021 (Az. 6 U 103/20) sogar noch weiter, indem es die Konformität des Gesetzesentwurfes mit der EU-Richtlinie 2005/29/EG in Zweifel zieht. Denn nach der geltenden EU-Richtlinie kann der Nachweis einer kommerziellen Absicht auch aus anderen Umständen als aus der Zahlung eines direkten Entgelts gefolgert werden (vgl. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG).

BGH Verfahren

Mehr Hoffnung auf zukünftige Rechtssicherheit dürfte die Branche deshalb in die beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren zu Kennzeichnungspflichten im Influencer-Marketing legen. Der Bundesgerichtshof wird sich unter anderem in einem Verfahren betreffend Cathy Hummels (BGH Az. I ZR 126/20) mit der Frage beschäftigen, ob und wann Beiträge geschäftliche Handlungen darstellen und als Werbung gekennzeichnet werden müssen (Vorinstanz: Oberlandesgericht München, Urteil vom 25.06.2020, Az. 29 U 2333/19).

Darüber hinaus haben auch das Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 02.07.2020, Az. 15 U 142/19 – BGH Az. I ZR 125/20), das Oberlandesgericht Braunschweig (Urteil vom 13.05.2020, Az. 2 U 78/19 – BGH I ZR 90/20), das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 09.09.2020, Az. 6 U 38/19 – BGH Az.: I ZR 163/20), sowie das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 19.02.2021, Az. 6 U 103/20) die Revision in ihren Urteilen zugelassen.

Mit der Pressemitteilung 101/2021 hat der Bundesgerichtshof am 28.05.2021 bekannt gegeben, am 29.07.2021 in Sachen I ZR 90/20, I ZR 125/20 und I ZR 126/20 mündlich zu verhandeln.

Mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffend Cathy Hummels und zwei weiteren Influencern ist demnach sehr bald zu rechnen. Im Ergebnis wird der Bundesgerichtshof wohl eine der wichtigsten Weichenstellungen im Influencer-Marketing vornehmen.

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