Am 12. April 2022 startete der Gerichtsprozess zwischen Johnny Depp und seiner Ex-Frau Amber Heard vor dem Fairfax Country District Courthouse im US-Bundesstaat Virginia. Die einstigen Eheleute werfen sich gegenseitig Verleumdungen vor, welche zu einem jeweiligen Reputations- und Karriereschaden geführt haben sollen.
In dem Zivilprozess verklagt Depp Heard aufgrund falscher und rufschädigender Äußerungen, welche diese in einem Artikel in der Washington Post im Jahr 2018 getätigt haben soll. Es geht um den Vorwurf häuslicher Gewalt. Depp verlangt von Heard eine Schadensersatzsumme in Höhe von mindestens 50 Millionen US-Dollar sowie eine Geldbuße in Höhe von 350.000 US-Dollar. Heard fordert von ihrem Ex-Mann widerklagend eine Schadensersatzsumme in Höhe von 100 Millionen US-Dollar aufgrund von rufschädigenden Äußerungen, welche Depps Anwalt über Heard getätigt haben soll, sowie eine Geldbuße in Höhe von 350.000 US-Dollar.
Die vor US-Gerichten geltend gemachten Schadensersatzsummen versetzen deutsche Juristen ins Staunen. Während das deutsche Schadensersatzrecht darauf ausgerichtet ist, den Zustand wieder herzustellen, der vor Eintritt des Schadens bestanden hat, ist im US-amerikanischen Rechtssystem auch der Ersatz hypothetischer Schäden möglich. Hiervon umfasst sind auch solche Schäden, die möglicherweise erst in der Zukunft entstehen. Nach dem US-amerikanischen Rechtssystem soll von dem zu leistenden Schadensersatz ein Sanktionscharakter ausgehen. Der Präventionsgedanke ist dem klassischen deutschen Schadensersatzrecht grundsätzlich fremd.
Im Jahr 1958 hat der Bundesgerichtshof mit der Herrenreiter-Entscheidung (BGH NJW 1958, 827) entschieden, dass Betroffenen einer Berichterstattung Schmerzensgeld als Sanktion der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zustehen kann. Das Schmerzensgeld diene als Geldentschädigung vor allem der Genugtuungsfunktion. Mittlerweile änderte sich jedoch auch in Deutschland die Rechtsprechung, sodass neben der Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung nunmehr auch eine Präventionsfunktion zugebilligt wird.
Deutsche Gerichte sind bei der Bemessung der Höhe von Geldentschädigungen aufgrund rechtswidriger Berichterstattungen im Vergleich zu den erkennenden Gerichten in den USA eher zurückhaltend. Maßgeblich für die Bemessung der Höhe der Geldentschädigung ist die Eingriffsintensität, die von der angegriffenen Berichterstattung ausgeht, der Grad des Verschuldens, sowie relevante Präventionseffekte im Einzelfall.
Eine Rekordsumme in Höhe von insgesamt 1.000.000,- EUR erzielte im Jahr 2017 der inzwischen verstorbene Altkanzler Helmut Kohl aufgrund der Veröffentlichung von Zitaten durch einen Ghostwriter in dem Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“. Das Gericht untersagte 116 Textpassagen aus dem Buch, in welchen es um vertrauliche Äußerungen Kohls über andere bekannte PolitikerInnen und Personen des öffentlichen Lebens ging (vgl. LG Köln, Urteil vom 27.04.2017, Az. 14 O 323/15). Die zur Zahlung der Geldentschädigung verurteilten Autoren sowie der Verlag gingen gegen das Urteil des Landgerichts in Berufung. Während des laufenden Berufungsverfahrens verstarb Helmut Kohl, sodass das Oberlandesgericht Köln nicht mehr über die konkrete Höhe der Geldentschädigung entscheiden musste (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29.05.2018, Az.:15 U 64/17). Das Oberlandesgericht Köln sowie der BGH (BGH, Urteile vom 29.11.2021, Az. VI ZR 248/18 und VI ZR 258/18) stellten jedoch fest, dass der Anspruch auf Geldentschädigung nicht vererblich sei, sodass die Kohl-Witwe in der Folge leer ausging.
400.000,- EUR erhielt hingegen die Tochter des Schwedischen Königspaares für eine Titelserie mit 77 Veröffentlichungen aus demselben Verlag. Insgesamt wurden 42 Falschzitate, 52 Fotomontagen sowie diverse unwahre Behauptungen durch den Verlag verbreitet (OLG Hamburg NJW-RR 2010, 624).
Dem ehemalige Fußball-Nationaltrainer Joachim Löw wurde im Jahr 2016 vom Landgericht Köln eine Geldentschädigungssumme in Höhe von 220.000,- EUR für insgesamt 22 Abbildungen des ehemaligen Nationaltrainers in Badehose am Strand während einer privaten Urlaubsreise zugesprochen, wobei sich die Gesamtsumme aus Einzelbeträgen zwischen 5.000,- EUR und 30.000,- EUR pro Abbildung zusammensetzte (LG Köln, Urteil vom 05.07.2017, Az. 28 O 9/17).
Auch der ehemalige Fernsehmoderator Jörg Kachelmann erhielt im Jahr 2016 eine für die deutsche Rechtsprechung verhältnismäßig hohe Geldentschädigungssumme. Das Oberlandesgericht Köln verurteilte den Springer-Verlag zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 395.000,- EUR für die schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Kachelmanns in 26 Fällen (OLG Köln Urteile vom 12.07.2016, Az. 15 U 175/15 und 15 U 176/15). Der höchste Wert für eine einzelne Veröffentlichung wurde durch die Richter mit immerhin 30.000,- EUR bemessen. Hierbei handelte es sich um die Veröffentlichung eines Fotos, welches Kachelmann mit nacktem Oberkörper im Hof der Justizanstalt während seiner Untersuchungshaft zeigte.
Die höchste Entschädigungssumme für einen Einzelfall erhielt Michael Schumacher. Das Landgericht Hamburg verurteilte einen Verlag zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 100.000,- EUR für die Verbreitung einer als Todesnachricht anmutenden Mitteilung auf der Titelseite einer Zeitschrift (LG Hamburg, Urteil vom 02.06.2017, Az. 324 O 381/16).
Die deutsche Rechtsprechung ist beim Zuspruch einer Geldentschädigung im Pressrecht somit vergleichsweise zurückhaltend. Die Geldentschädigung muss aufgrund der für einen demokratischen Staat wichtigen Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit ein ultima ratio bleiben. Schwerwiegende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht haben Betroffene jedoch nicht ohne Weiteres hinzunehmen, sodass bei gravierenden Verstößen gegen die pressemäßige Sorgfalt Betroffenen neben dem Unterlassungsanspruch auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen kann.